St. Hildegard ist Frankfurts neue bunte Mischung
Es war eine feierliche Prozession, in der Vertreterinnen und Vertreter aller sieben Kirchorte und eine Vertreterin der muttersprachlichen Gemeinden goldene Schalen zum Altar trugen. In den Gefäßen lagen getrocknete Blüten, lila, senfgelb und blassgrün. Es handelte sich um sieben Kräuter aus den sieben Kirchorten, die künftig die neue Pfarrei St. Hildegard bilden und die symbolisch am Altar zusammengeschüttet wurden. Sieben Kräuter, das sind in Frankfurt ja klassischerweise Petersilie, Schnittlauch, Boretsch, Sauerampfer, Kresse, Pimpinelle und Kerbel – doch in diesem Fall waren die Kräuter nicht für die Grüne Soße, sondern die Teetasse bestimmt. „Deshalb haben wir uns für eine süßere Mischung entschieden“, sagte eine Helferin: Ringelblumenblüten, Kornblumenblüten, Hibiskus, Apfelminze, Holunderblüten, Hagebuttenschalen und Himbeerblätter. Entsprechend stand auch auf den Beutelchen, das jede Besucherin und jeder Besucher sich am Ausgang abholen konnte: „Bunte Mischung – 7-Gemeinden-Kräutertee“. Und hintendrauf der augenzwinkernde Zusatz: „Maximal zehn Minuten ziehen lassen und probieren, ob’s schmeckt.“
Auf dem Papier besteht die neue Großpfarrei bereits seit einigen Wochen, nun wurde die Gründung von St. Hildegard mit einem Gottesdienst in der künftigen Pfarrkirche St. Markus in Nied gefeiert. Norbert Walter, Vorsitzender des Pfarrgemeinderats, ließ in seiner Begrüßung durchblicken, dass die neue Mischung wohl (noch) nicht jedem schmeckt. „Doch da die Fusion von Limburg aus alternativlos war, wollten wir wenigstens so viel Einfluss wie möglich auf das Wie nehmen“, berichtete er und blickte auf den langen Pfarreiwerdungsprozess zurück. Mit großer Einigkeit habe man sich schon 2018 auf pastorale Schwerpunkte geeinigt: Weiter verlässliche Gottesdienste an den Kirchorten, ökumenische Zusammenarbeit, eine starke Orientierung am Stadtteil (Subsidiaritätsprinzip) sowie Einbindung in die Weltkirche. „Es liegt nun an uns, dass an allen sieben Standorten das Gemeindeleben weitergeht – und dass unter dem gemeinsamen Dach St. Hildegard die Kirche trotzdem im Dorf bleibt“, sagte er. Dabei sei man allerdings auch auf die Hilfe des Bistums angewiesen, was die Besetzung von Stellen, bauliche Fragen und technische Probleme angeht.
„Pfarreiwerdung ist ein Prozess“
Die bisherigen Gemeinden St. Markus in Nied, St. Hedwig in Griesheim, Maria Hilf im Gallus, Mariä Himmelfahr in Griesheim, St. Pius in der Kuhwaldsiedlung, St. Gallus im Gallusviertel und Heilige Dreifaltigkeit in Nied bilden seit dem 1. Januar 2023 offiziell die neunte Pfarrei neuen Typs in Frankfurt. Es ist der letzte Pfarreiwerdungsprozess in der Stadt – doch innerlich abgeschlossen wird er noch lange nicht sein, betonte Weihbischof Thomas Löhr, der den Gründungsgottesdienst gemeinsam mit dem neu ernannten Pfarrer von St. Hildegard, Rolf Glaser, leitete: „Pfarreigründung ist heute, Pfarreiwerdung ist ein Prozess, auf den man sich einlassen muss – so wie aufs Christwerden, Christsein“, so Löhr.
Nah am Leben
Der Weihbischof zog in seiner Predigt immer wieder Parallelen zum Leben der großen Namenspatronin: „Beim Lesen der Gründungsvereinbarung der neuen Pfarrei kam mir Hildegard immer wieder in den Sinn. Die Vereinbarung baut auf einem durchdachten Pastoralkonzept auf, nahe am Leben und an aktuellen Herausforderungen. Es blickt auf die Situation der Pfarrei. Es geht um kirchliches Leben insgesamt. Und es geht um das Leben der Menschen im Stadtteil, in der Großstadt Frankfurt mit allen Facetten der Gegenwart. Als Beispiele seien nur genannt das ,Projekt Schwul und Katholisch‘, die Basisgemeinde und das ökumenische Zentrum Pax&People im Europaviertel“, sagte Löhr.
Der Weihbischof fuhr fort, er glaube, dass die Vielfalt der Aktivitäten, der Verantwortlichkeiten und der Sensibilität in der neuen Pfarrei immer wieder Anknüpfungspunkte bei Hildegard finden werden. „Ich habe den Eindruck, dass Sie durch die Namensgebung und durch Ihr Handeln Leben und Wirken Hildegards in dieser Stadt lebendig werden lassen. In dieser krisengeprägten Zeit des Angriffskrieges gegen die Ukraine, der traumatischen Folgen der sexualisierten Gewalt auch in der Kirche, um nur zwei zu benennen, ist es bedeutsam, auf diese Stadt Frankfurt und gerade auf diese neue Pfarrei zu schauen – ihre Fragen und Herausforderungen – und ebenso Ihre Antworten.“ Er wünschte den Verantwortlichen, Aktiven und Gläubigen, dass sie dafür immer wieder Inspiration von ihrer heiligen Pfarrpatronin erhalten mögen.
Bei der Gestaltung des Gottesdienstes waren Priester und Akteure aus allen sieben Kirchorten sowie aus den muttersprachlichen Gemeinden beteiligt, die auf dem neuen Pfarreigebiet angesiedelt sind: die italienische Gemeinde, die französischsprachige Gemeinde, die slowakische Gemeinde, die eritreische Gemeinde und die englischsprachig-afrikanische Gemeinde. Auch die polnische katholische Gemeinde und die bulgarisch-orthodoxe Gemeinde feiern dort Gottesdienste.
Um diese Vielfalt zu verdeutlichen, wurden die Fürbitten in sechs verschiedenen Sprachen vorgetragen. Und zumindest musikalisch ist die Fusion der sieben Kirchorte und vielen verschiedenen Gruppen schon einmal geglückt: Der Chor der eritreischen Gemeinde eröffnete den gut zweistündigen Gottesdienst mit einem wunderbar schwungvollen Trommel-Einzug, Organist Markus Meurer spielte und später sangen gemeinsam die Kantorei St. Markus, der Kirchenchor Mariä Himmelfahrt und der Kirchenchor St. Pius.